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Neuere Geschichte des Hauses

Sylt 2020 in Zeiten des Lockdowns

Fotografien von Carsten Wegst


Interview in der ZEIT

„Es ist ein Traum und ein Albtraum zugleich“

Herr Wegst, Sie betreiben das Kaufhaus Wegst in Westerland auf Sylt, das seit vier Generationen in Familienbesitz ist. Fünf Wochen lang ist es geschlossen gewesen, nun haben Sie wieder geöffnet. Die Insel aber ist weiterhin dicht. Stehen Sie dennoch im Laden?

Ja, allerdings in minimaler Besetzung. Vorher waren wir im Schnitt acht Verkäufer und Verkäuferinnen, jetzt sind es nur zwei. Die Öffnungszeiten habe ich auch um drei Stunden am Tag reduziert. Dass die Sicherheitsmaßnahmen gelockert wurden, bringt uns hier auf Sylt recht wenig. Es kommen ja keine Touristen! Und die machen 90 Prozent unserer Kunden aus. Wir verkaufen vor allem Souvenirs. Hier verbringt aber derzeit niemand seinen Urlaub.

Das heißt, Ihr Umsatz sinkt weiterhin?

Als wir geschlossen hatten, habe ich fast 100 Prozent verloren, nur ein paar Taschen habe ich über den Online-Shop verkaufen können. Im Moment summieren sich die Einbußen auf etwa 90 Prozent, und aufs Jahr gerechnet werden es wohl 50 Prozent sein. Der stationäre Einzelhandel ist ohnehin schon seit Jahren durch den Online Handel stark unter Druck. Ganz ehrlich: Die Saison ist für mich gelaufen.

Auch wenn irgendwann im Sommer die Touristen zurückkehren?

Wahrscheinlich wird die Insel erst für die Zweitwohnungsbesitzer geöffnet, dann für die Feriengäste und später für die Tagesgäste. Wann das passieren wird, kann aber keiner sagen. Und wir können schon jetzt nicht mehr aufholen, was wir bisher verloren haben. Wir Ladeninhaber und Gastronomen auf Sylt brauchen die komplette Saison, von Ostern bis zum Windsurf World Cup im Oktober. Bis dahin muss jeder sein Geld erwirtschaftet haben, um über den Winter zu kommen.

Liefern Ihre Lieferanten denn noch aus?

Kaum einer tut das, und ich nehme keine Ware an. Das ist vor allem für kleine Hersteller fatal, die Ware ist ja von ihnen vorfinanziert. Auch für meine Mitarbeiter ist die Situation mit der Kurzarbeit brutal. Dreien von ihnen musste ich sogar Aufhebungsverträge vorsetzen, weil sie schon in Rente waren und deshalb nicht zu Kurzarbeit berechtigt sind. Zwei von ihnen waren 30 Jahre bei uns! Das war sehr schmerzhaft und hat mir schlaflose Nächte bereitet.

Haben Sie staatliche Hilfen beantragt?

Ja, und ich bin froh, in dieser Situation in Deutschland zu leben. Ich habe die Corona- Soforthilfe und einen KfW-Kredit beantragt und konnte mir bisher auch die Gewerbesteuer erstatten lassen.

Vor Corona, was war da Ihr Bestseller?

Ich denke, unser filigraner Friesenschmuck in Gold und Silber. Aber natürlich auch unsere Sylt-Uhren und Schmuckstücke im Inseldesign, Taschen, Becher, Heimtextilien. Wir verkaufen auch maritime Mode und Naturbernstein-Schmuck, solche Dinge.

Ihr Kaufhaus gibt es seit 124 Jahren. Wer hat es gegründet?

Mein Uropa, er hat mit Elfenbeinschnitzereien angefangen. Und mein Opa war Goldschmied; der kam auf die Idee, die markante Silhouette der Insel als Markenzeichen zu benutzen und Schmuckstücke zu kreieren. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg blieb das Geschäft geschlossen. Der Bruder meines Großvaters fertigte aber im Zweiten Weltkrieg Elfenbeinstifte an, ein Medizinprodukt. Die wurden den Soldaten bei Knochenbrüchen implantiert. Heute führe ich das Geschäft, es gibt allerdings vier Gesellschafter: meinen Vater, meine beiden Schwestern und mich. Mein Vater sagte neulich am Telefon zu mir: Wir haben zwei Weltkriege überlebt. Dann schaffen wir diese Krise hoffentlich auch. Er ist 80 Jahre alt und arbeitet immer noch als Steuerberater, er berät mich bei finanziellen Fragen, hilft bei den Anträgen. Ich habe ihn seit Wochen nicht gesehen. Aber wir sind uns sehr nah, telefonieren mehrmals am Tag.

Wann muss die Insel spätestens wieder öffnen, damit Sie nicht pleitegehen?

Im Juli und August brauche ich schon 80 Prozent der üblichen Gäste, sonst wird es sehr schwierig. Dabei verstehe ich ja all die Maßnahmen, gerade auf den Inseln. Hier in der Sylter Klinik wurde die Zahl der Intensivbetten verdoppelt, von fünf auf zehn. Für die 19.000 Bewohner mag das reichen, aber nicht für die etwa 800.000 Touristen, die jedes Jahr nach Sylt kommen. So schlecht es uns wirtschaftlich geht, gesundheitlich sind wir im Vergleich doch noch glimpflich davongekommen. Auf den nordfriesischen Inseln gibt es bisher nur eine Handvoll Krankheitsfalle.

Wie geht es den Syltern im Alltag ohne die Touristen?

Es ist ein komisches Gefühl. Auf der einen Seite genießen wir das schon. Bei diesem schönen Wetter, diese Ruhe hatten wir so noch nie! Mit meinem sechsjährigen Sohn unternehme ich viele lange Spaziergänge, ich fotografiere wieder mehr, die komplett leeren Strände zum Beispiel. Es ist ein Traum und ein Albtraum zugleich

Carsten Wegst, 43, ist in Westerland geboren. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Nürnberg und entwickelte zunächst Handy-Apps. 2007 kehrte er nach Sylt zurück und übernahm das Familiengeschäft. Er wohnt zehn Minuten Fußweg von seinem Kaufhaus entfernt


Geschichte bis 2020

Ein Haus mit Tradition

1996 feierte das Traditionshaus sein 100jähriges Bestehen. Wenn man die Vorgeschichte berücksichtigt, besteht das Unternehmen WEGST seit weit über hundert Jahren. Geschaffen von vorausschauenden und mutigen Unternehmern, hat es sich anfangs durch Elfenbeinschnitzerei, später bis in die heutige Zeit durch filigranen Friesenschmuck bundesweit einen bedeutenden Ruf geschaffen.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte Johannes Wegst. Mit dem Familienunternehmen in Geislingen ansässig, der Stadt, die bereits vor 1850 durch Elfenbeinschnitzerei einen Weltruf erlangte hatte, gefiel Johannes Wegst jedoch das "Feilbieten" der selbst geschaffenen Erzeugnisse nicht. Dies war damals nämlich am Bahnhof der Stadt "genau in der Mitte zwischen Paris und Wien", Sitte. Zwar waren die Erträge dieser Verkäufe mit dem Bauchladen zufrieden stellend, Johannes Wegst aber dachte voraus. Er wusste, wo aufblühende Ferienorte waren und in welchen Orten gutfundierte Feriensuchende (damals auch der Adel) sich trafen.

Friedrichstraße Mitte der 30er Jahre

Im Frühjahr 1896 las dessen Sohn Robert, der inzwischen von seinem Vater in Badeorte in ganz Deutschland geschickt wurde, eine Anzeige der Kurverwaltung Westerland im Hamburger Fremdenblatt: "Laden zu vermieten". Obwohl die Reise nach Sylt sehr beschwerlich und langwierig war, wurde der Umzug auf die Nordseeinsel, in die Strandstrasse Laden Nr. 6, dann schnell in die Tat umgesetzt. Zwar liefen die Geschäfte zunächst zufrieden stellend, jedoch bemerkte Robert Wegst bald, dass die eigentlich "Laufseite" gegenüber lag. Im Jahr 1900 verlegte Robert sein Geschäft auf die andere Straßenseite, Ecke Strandstrasse/Dünenstrasse. Das neu gemietete Geschäft entpuppte sich bald als wahre "Goldgrube".

Geschäft in der Friedrichstraße 26 im Jahre 1928

Johannes Wegst vor seinem Geschäft in Bad Landeck ca. 1880

Zeit des Umbruchs

Im März 1914, nachdem Robert Wegst von den Diskussionen um den geplanten Hindenburgdamm gehört hatte, bebaute er das Grundstück in der Friedrichstrasse 31, das neben dem heutigen Sitz der Firma WEGST liegt. Für ihn war klar, dass die Friedrichstrasse die bedeutendere Einkaufstrasse werden würde, da sie auf der direkten Achse Bahnhof - Hauptstrand lag, so seine Überlegungen damals.

Richtfest des heutigen Geschäftshauses am 23. April 1932

Es entstand ein zweigeschössiges Geschäftshaus mit einer recht großzügigen Wohnung für die Familie. Am 1. August 1914, beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges, wurde der Aufschwung jäh unterbrochen. Die Geschäfte mussten geschlossen und zugenagelt werden. Robert Wegst wurde eingezogen und fertigte etwas später medizinische Elfenbeinstifte für Professor Sauerbruch in Berlin.

1928 erwarb Robert das "Hotel Reichshof" von den Geschwistern Rieper an der Ecke Friedrichstrasse/Elisabethstrasse, den heutigen Geschäftssitz der Firma WEGST. Trotz der Weltwirtschaftskrise baute Robert Wegst 1931 um, was den größten Bau für die damalige Zeit in ganz Schleswig-Holstein bedeutete. Dieses neue Geschäftshaus übergab Robert sen. seinen Söhnen Hermann und Robert jun. im Jahre 1936.

Robert Wegst sen.

Die Brüder Robert und Hermann Wegst

Seit 1971 war Hermann Wegst Alleininhaber des Unternehmens, das er gemeinsam mit seiner Ehefrau Marie durch den jahrzehntelangen persönlichen Einsatz bis heute geprägt hat. Heute führt der Enkel Carsten Wegst das Unternehmen in bester Tradition weiter. Das von Robert Wegst geprägte Motto "Dankbar rückwärts, mutig vorwärts und gläubig aufwärts sehen" hat in all den Jahren den Kurs des Familienunternehmens vorgegeben.

Der von der Familie Wegst in den 30er Jahren entworfene Friesenschmuck hat bis heute seinen über die Grenzen reichenden Bekanntheitsgrad erhalten. An die Elfenbeinschnitzerei erinnert ein Elefantenkopf, der als Wahrzeichen über dem Geschäftseingang seinen rechten Platz gefunden hat.

Hermann Wegst in seinem Schmuckladen 1977

Haus Westerland Mitte der 30er Jahre